Valoorie

8 Die Bibliothek, die dich liest

Luna landet in einer Halle aus Glas und Stille.

Die Luft riecht nach Regen und frisch aufgeschlagenen Seiten.

Regale stehen in Reihen wie ruhige Bäume. Auf jedem schwebt ein kleines Schild: „Pssssst!“ – und das Schild macht wirklich psssst, immer wieder, als wäre es stolz auf seine einzige Aufgabe.

Zwischen den Gängen tanzen winzige Lichtwesen: Silbenschwärmer. Sie sehen aus wie glühende Kommas, huschen durch die Luft und naschen Wörter, die noch gar nicht geschrieben sind. Ein Buch auf einem Tisch gähnt.

Eine Leiter rollt geräuschlos von selbst an den nächsten Gang. „Hier lesen die Bücher dich“, flüstert Zauberquant und blinkt wie ein blauer Punkt über einem i. Luna zieht ein Buch heraus. Die Seiten sind leer – nur das Papier schimmert wie Wasser. „Hallo, Buch“, flüstert sie.

Nichts.

Dann fragt sie: „Was weißt du?“ Das Buch bleibt leer. „Aha“, murmelt Luna, „kein Smalltalk.“ Sie überlegt, setzt sich gerade hin, atmet tief. „Was will ich wirklich wissen?“ Als sie die Frage spürt, nicht nur denkt, leuchtet die Seite auf.

Drei Sätze erscheinen wie mit Lichttinte geschrieben: Sonne: „Der Mond lügt.“ Mond: „Der Stern lügt.“ Stern: „Die Sonne sagt die Wahrheit.“ „Oha“, sagt Luna. „Zwei sind falsch, einer ist wahr.

Der Klassiker.“ Ein Silbenschwärmer setzt sich kurz auf ihre Nase.

Luna kichert.

„Ich rate lieber nicht. Ich frage klug.“ Sie klappt das Buch zu. Zauberquant schwebt näher. „Tipp?“ – „Nein“, sagt Luna, „ich kann das.“

Sie stellt sich hin wie eine Forscherin, die gerade ein Experiment baut, und fragt dann ganz ruhig: „Welche Antwort würde die Sonne geben, wenn ich sie frage, welcher von euch die Wahrheit sagt?“

Die Seite zittert. Die Silbenschwärmer bilden einen kleinen Kreis. Das Wort Sonne leuchtet heller als die anderen. „Meta-Frage“, sagt Luna zufrieden. „Ich frage nach der Antwort der Wahrheit. So komme ich immer richtig raus – ohne zu raten.“ „Gute Fragen sind wie Taschenlampen“, summt Zauberquant. „Antworten sind nur die Sachen, die dann sichtbar werden.“

Die Regale beginnen zu brummen, als würde die Halle leise applaudieren. Auf den Rücken der Bücher erscheinen Titel, die vorher nicht da waren: „Wie man Mut sortiert“, „Fokus für Fortgeschrittene“, „Anfänger-Glitzer (aber ehrlich)“. Ein Gang öffnet sich – nicht mit Lärm, sondern wie ein Vorhang aus Licht.

Auf der ersten Stufe liegt ein kleines Portalsiegel mit einer feinen Gravur: „Für die Kunst, klug zu fragen.“

Luna hebt es auf. Es ist warm, als hätte es auf sie gewartet. „Danke“, sagt sie in die Stille. Die Stille nickt.

Am Ende des Gangs öffnet ein Buch von selbst eine Karte: drei Wege, drei Sterne, ein dünner Faden in die Zukunft.

Über der Karte steht: „Nur wer sinnvoll fragt, findet den sinnvollen Weg.“ Luna lächelt. „Das mag ich. Keine Abkürzung, aber ein echter Kompass.“ Zauberquant schwebt an ihre Seite. „Bereit für den nächsten Schritt?“ „Bereit“, sagt Luna mit leuchtenden Augen. „Aber nur, wenn du nicht wieder „psssst“ machst.“

Das Schild über ihr flüstert „psssst“. Luna lacht los. Manchmal ist das Kontinuum witziger als gedacht, murmelte Luna.

„Fragen sind der Kompass. Antworten sind die Karten.“
– Zauberquant, leuchtendflüsternd

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